"Ein geborener Pole, der in Frankreich Seemann wurde und als englischer Schriftsteller Weltruhm erlangte: Joseph Conrad hat mindestens drei Leben geführt und ein umfassendes Werk hinterlassen. Für den Literaturkritiker Jan Drees liegt die Antwort in der Langlebigkeit kollektiver Traumata und ihrer bislang mangelnden Aufarbeitung:"Wir wissen, dass transgenerationelle Traumaübertragung eine Generation überspringt. Die Ungarin Flora ist nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach Berlin gezogen und hat dort den schrulligen IT-Spezialisten Darius Kopp kennen und lieben gelernt.Ihr Glück ist nicht von langer Dauer. Nachdem er die Oper verändert hatte, brachte er seine Reformvorstellungen nach New York. Sie nimmt sich das Leben, er verliert den Lebensmut.Nach dem Suizid seiner geliebten Frau Flora übergibt Darius Kopp deren Laptop einer jungen Studentin, um die Tagebücher, Notizen und Dateien Floras aus dem Ungarischen zu übersetzen. "Und aus dieser Trauer heraus entsteht diese ganze Geschichte. Wenn die See des Lebens zu rau ist, klammert man sich an Geschichten und lässt sich von ihnen in Sicherheit bringen. Mutter feuert sie an. Meine Behauptung ist bloß, dass das auch jeder andere hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Genossen überlebte Erich Mühsam die Niederschlagung der Räterepublik.Weil er mit den Kommunisten kooperierte, um den Aufstieg des Nationalsozialismus zu verhindern, wurde er von vielen anarchistischen Freunden verlassen.
Erich Mühsam (1878 - 1934) saß zwischen allen Stühlen - fast sein ganzes Leben lang. "Ein Buch, das die menschliche Verletzlichkeit unter den Bedingungen des weltweiten Turbokapitalismus radikal in den Blick nimmt, ist Terezia Moras Roman "Das Ungeheuer". Seine derzeit neu publizierten Tagebücher machen verständlich warum. 2019 erschienen mit Isabelle Lehns "Frühlingserwachen" und Jan Wilms "Winterjahrbuch" Romane, deren Protagonisten denselben Namen tragen wie Autorin und Autor.Auffällig viele dieser Autorinnen und Autoren thematisieren in ihren Romanen die eigenen Verletzungen, Kränkungen und psychischen Beschädigungen. Dann werden diese Zeilen wie ein Gebet sein. "Tatsächlich scheinen Autoren und Leser in den letzten Jahren ein wachsendes Bedürfnis nach dem sogenannten realen Leben zu entwickeln. "Psychische Krankheiten sind in unterschiedlichsten Betrachtungsweisen schon lange Stoff in der Literatur", sagt die Germanistin Béatrice Katharina Meißner. Im Jahr 2016 entwirft Melle in "Die Welt im Rücken" schonungslos und wortgewaltig die Chronik seines eigenen zerrissenen Lebens zwischen Höhenflügen und Depression:"Sollte ich wieder dem Wahn verfallen, werde ich es als Schicksal hinnehmen. "Vielleicht ist das, was als unbeschreiblich und unsäglich gilt, nur flüsternd möglich, vielleicht ist das Erzählen von Verfolgung und Gewalt, Demütigung und Vergewaltigung nur stockend möglich, nur bruchstückhaft, vielleicht bleiben narrative Lücken, da, wo jemand sich nur unter Schmerzen erinnern kann, wo etwas nur mit Scham bloß gelegt werden kann. Das heißt: Jetzt ist die Enkelgeneration 40, 50 Jahre alt und die schreibt, denn ihr fallen die nicht ausgesprochenen Traumata, die verschwiegenen, in den Familien nicht angesprochenen Traumata jetzt auf die Füße. Aber die verwundbaren Figuren können durchaus auch als Mittel betrachtet werden, die Welt besser zu verstehen, denn sie zeigen Ausschnitte, die oftmals im Verborgenen bleiben. Es ist ein Loch – das Wort Narbe wäre schon ein Euphemismus –, das weder die Zeit heilen kann noch Prozesse. "Danach geht es mit Peter Hoeg nach Dänemark in ein Heim für verwundete "schwer erziehbare" Kinder. Ob es immer gelingt, ist selbstverständlich eine andere Frage. oder Alles hat seinen Preis Das Menschenbild im 21. Erinnern sei nie ein sachliches Rekapitulieren der Ereignisse und verschwimme automatisch mit der Fantasie.Allerdings: "Diese Momente auch tiefster, erschreckender, schockierender Verzweiflung, die ich bei Flora beschrieben habe – natürlich habe ich die auch schon erlebt in meinem Leben. Den Anfang macht die junge Autorin Jasmin Schreiber mit Auszügen aus Ihrem Roman "Marianengraben". David Wagners Buch aus dem Jahr 2013 über seine Organtransplantation heißt nicht zufällig "Leben" und gilt als Vorbote einer radikalen Selbstoffenbarung.Fast zeitgleich schrieb Wolfgang Herrndorf in seinem literarischen Blog "Arbeit und Struktur" – nach seinem Suizid als Buch veröffentlicht – über die Stationen des Ringens mit seinem Gehirntumor. Lange Nacht Manuskript vom: Samstag 19.1.2002 • 23:05 Eine Lange Nacht über die Welt als Kaufhaus Zahltag!
Er wird wegrationalisiert. Eines besteht darin, erlittenen oder vorgestellten Schrecken durch Worte zu bannen und dadurch bewältigbar zu machen. Doch immer beschreiben ihn Zeitgenossen als einen herzlichen, großzügigen und gütigen Menschen.